Der Ausverkauf der internationalen Aktien setzte sich in der letzten Woche fort, da eine Kombination aus höheren Realrenditen und dem Risiko, dass sich die chinesische Volkswirtschaft stärker verlangsamt als erwartet, riskante Anlagen beeinträchtigte. Das Hauptaugenmerk der Märkte liegt derzeit auf China, dem Konflikt in der Ukraine und der US-Geldpolitik. In den kommenden Wochen dürfte sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Unternehmensgewinne richten, da die Analysten versuchen werden, die Auswirkungen der höheren Inputkosten und des verlangsamten Wachstums auf die Rentabilität der Unternehmen abzuschätzen.
Die Schlappe am Rentenmarkt hält an
In der letzten Woche sind die Renditen von US-Staatsanleihen stark gestiegen, nachdem eine weitere Reihe aggressiver Aussagen der Fed noch stärker mit einer Zinserhöhung rechnen ließ.
Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell sagte, dass eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte „bei der Maisitzung des Offenmarktausschusses (am 3. und 4. des Monats) geplant ist”, während die Präsidentin der San Francisco Fed, Mary Daly, mitteilte, dass sie bei der Sitzung mit ihren Kollegen über eine Anhebung um 75 Basispunkte diskutieren wird.
Loretta Mester (stimmberechtigtes Mitglied des FOMC) und Charles Evans (nicht stimmberechtigtes Mitglied) signalisierten, eine Anhebung um 50 Bp im Mai zu unterstützen, während sich James Bullard (stimmberechtigtes Mitglied) offen für eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte erklärte.
Die Märkte (Overnight Indexed Swaps) preisen jetzt eine Erhöhung um jeweils 50 Bp bei den FOMC-Sitzungen im Mai, Juni und Juli voll ein, so dass der Leitzins der Fed zum Jahresende bei 2,70 % liegen dürfte.
Unser Team für festverzinsliche Anlagen geht davon aus, dass die Fed noch schneller handeln und die Zinssätze bis Ende 2022 auf 3,25-3,50 % anheben wird, wobei weitere Erhöhungen im Jahr 2023 möglich sind.
US-BIP schrumpft im ersten Quartal
Die heute veröffentlichten Daten zeigen, dass das US-Wirtschaftswachstum im ersten Quartal aufgrund von wachsenden Handelsungleichgewichten, steigender Inflation und Lieferkettenstörungen unerwartet gesunken ist.
Das US-Handelsministerium meldete, dass das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal auf Jahresbasis um 1,4 % gefallen ist – ein deutlicher Einbruch gegenüber dem im vierten Quartal 2021 verzeichneten Anstieg um 6,9 %. Es handelt sich um den ersten Rückgang der US-Volkswirtschaft seit Mitte 2020, als die Covid-19-Lockdowns die Wirtschaftsaktivität beeinträchtigten. Die Daten entsprechen einem Rückgang um 0,4 % gegenüber dem vierten Quartal 2021.
Unserer Ansicht nach täuscht die Headline-BIP-Zahl über die anhaltende Stärke des Einkommens der US-Haushalte hinweg. Der persönliche Verbrauch wuchs im ersten Quartal um 2,7 %, gegenüber 2,5 % Ende 2021. Das war trotz allem weniger als die prognostizierten 3,5 %.
Die Stärke der Verbraucherausgaben wurde durch ein wachsendes Handelsdefizit ausgeglichen, das im März einen Rekordwert erreichte, da die Einfuhrmengen und -preise stark anstiegen. Die robuste Importnachfrage und die Veränderung des Handelsdefizits haben das BIP beeinträchtigt, bei dem es sich um ein Maß für die Produktion handelt.
Eine in dieser Woche vom US-amerikanischen Census Bureau bekanntgegebene Änderung bei der Berechnung der Einzelhandelsumsätze hat das Wachstum im ersten Quartal ebenfalls geschmälert und dürfte das BIP im zweiten Quartal stützen.
China ringt mit Covid
China meldete am 26. April 14.222 Covid-19-Fälle im Land und registrierte damit den fünften Tag mit einem rückläufigen Wert. In Peking hat sich die Situation jedoch verschlechtert.
Seit Mitte März beeinträchtigen die Covid-bedingten Lockdowns die wirtschaftlichen Aussichten Chinas, aber die Behörden zeigen trotzdem kaum Anzeichen für eine Lockerung ihrer Null-Covid-Kampagne.
Chinas Covid-Lockdowns haben weitere Bedenken hinsichtlich der Wachstumserwartungen und damit der Nachfrage geweckt, was sich negativ auf die Rohstoffpreise auswirkt.
Insgesamt sind wir der Ansicht, dass die politischen Entscheidungsträger in Peking mit Konjunkturmaßnahmen reagieren werden, wenn dieser Ausbruch weiterhin die Lieferketten unterbricht, die Wirtschaftstätigkeit einschränkt und die Auftragseingänge belastet.
Wiederwahl von Emmanuel Macron in Frankreich
Macrons Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gewährleistet eine gewisse Kontinuität in der wirtschaftlichen und politischen Landschaft. Sein Sieg ist ein gutes Omen für weitere Fortschritte bei der EU-Integration und der Zusammenarbeit in Bezug auf Sicherheit.
An den Devisenmärkten, wo der US-Dollar in dieser Woche mit 1.0524 USD gegenüber dem Euro ein Fünfjahreshoch erreichte, dürfte dieses Ergebnis allein nicht für einen starken Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar ausreichen, aber der Sieg Macrons räumt in einer Zeit, die sich durch Anspannung bei Bewertungen und Positionierung auszeichnet, ein wesentliches Abwärtsrisiko aus dem Weg.
Der Euro und andere Währungen sind seit Anfang Februar kontinuierlich gesunken (der DXY-Dollar-Index, der die Stärke des Dollars gegenüber einem Währungskorb misst, ist auf den höchsten Stand seit 2017 gestiegen), da die Märkte auf die zunehmend aggressiven Signale der US-Notenbank reagieren.
Während die Märkte begonnen haben, ein Ende der ultralockeren Geldpolitik in der Eurozone einzupreisen, wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts der Exposition der Wirtschaft der Region gegenüber den steigenden Energiepreisen, die möglicherweise noch weiter ansteigen könnten, vorsichtig vorgeht.
Märkte preisen eine signifikante Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung der EZB im Juli ein
Die EZB-Sprecher schlugen in der letzten Woche einen recht aggressiven Ton an. Einige waren zumindest offen für eine Zinserhöhung bei der EZB-Ratssitzung im Juli, während andere eine solche sogar aktiv forderten.
Die Daten des Einkaufsmanagerindex (EMI) für April fielen besser aus als erwartet, was darauf hindeutet, dass die Wirtschaft der Eurozone stärker als geplant in das zweite Quartal gestartet ist. Dies hat möglicherweise Kommentare der aggressiveren Mitglieder des EZB-Rates ausgelöst. Der Markt preist eine Wahrscheinlichkeit von 86 % für eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte im Juli ein, was wir für unwahrscheinlich halten.
Jetzt sind die Gewinne ausschlaggebend
Für das erste Quartal 2022 (für das bisher über 20 % der S&P-500-Unternehmen ihre Gewinne gemeldet haben), meldeten 79 % der Unternehmen eine positive Überraschung beim Gewinn je Aktie (EPS) und 69 % eine positive Umsatzüberraschung.
Die aggregierte Gewinnwachstumsrate für den S&P 500 beträgt 6,6 %. Wenn die Wachstumsrate für das Quartal tatsächlich 6,6 % beträgt, wäre dies die niedrigste Gewinnwachstumsrate des Index seit dem vierten Quartal 2020. Dennoch wäre das Gewinnwachstum nach wie vor positiv und würde US-Aktien stützen.
Die europäischen Aktien haben nun 10 Wochen in Folge Abflüsse erlebt, und die Stimmung ist weiterhin schlecht.
Unser Multi-Asset-Team ist zu einer Untergewichtung europäischer Aktien übergegangen. Die weitere Entwicklung dürfte unserer Meinung nach vor allem von den Erträgen abhängen. Fast ein Drittel der Unternehmen des Stoxx Europe 600-Index wird in den kommenden Tagen ihre Ergebnisse und Umsätze aktualisieren.
Diese Berichtssaison fällt wegen der Auswirkungen des Russland/Ukraine-Konflikts, einer möglichen geldpolitischen Kehrtwende und der steigenden Inflation in einen schwierigen Zeitraum. Unter diesen Umständen dürfte sich wohl die Widerstandsfähigkeit der Gewinnen bezahlt machen.
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