Das Tempo des weltweiten BIP-Wachstums könnte sich nun zwar normalisieren, aber es bestehen konjunkturelle und politische Gegenwinde, die immer noch die Erholung nach Covid behindern. Zu den Hauptsorgen gehören zurzeit die erwartete Inflationsentwicklung aufgrund von Unterbrechungen der Lieferkette, die neue Corona-Variante und Spillover-Effekte der Wachstumsverlangsamung in China.
Wir halten den Inflationsanstieg für ein vorübergehendes Phänomen und erwarten, dass steigende Impfraten die weitere Öffnung der Wirtschaft erlauben, solange die Omikron-Variante sich nicht als resistent gegen die vorhandenen Impfstoffe erweist.
Die Wachstumsverlangsamung in China dürfte beherrschbar bleiben, weil Peking nach und nach auf eine (stärkere) geldpolitische Lockerung umschwenkt. Die Konjunkturpakete der großen Industrieländer dürften dem weltweiten Wachstum mehr Schwung verleihen.
Die Normalisierung der Zentralbankpolitiken wird wahrscheinlich auch schrittweise erfolgen.
Aus unserer Sicht wird dieses Umfeld insgesamt risikoreicher Anlagen (Aktien) gegenüber als sichere Anlagen geltenden Instrumenten (Anleihen) noch so lange begünstigen, wie die Realrenditen niedrig sind.
Fed-Tapering – Und dann?
Die US-Notenbank ist auf Kurs, um ihre monatlichen Anleihenkäufe bis Juni 2022 auf null zurückzufahren. Das bedeutet, dass sie ihre geldpolitische Unterstützung der Wirtschaft auf kurze Sicht im Großen und Ganzen fortsetzt, was positiv für Aktien ist.
Dann steht sie vor der Herausforderung, die Erhöhung der Beschäftigungsquote mit einer langfristigen Inflationsrate von 2%, die aber kurzfristig über 2% steigen darf, in Einklang zu bringen. Der jüngste Anstieg der Verbraucherpreisinflation auf ihren höchsten Stand seit den 1990ern (6,2% J/J im Oktober) macht diesen Balanceakt so gefährlich.
Die Omikron-Variante macht die Aufgabe der Fed schwieriger. Die Lieferkettenprobleme und die Verschiebung der Nachfrage von Waren auf Dienstleistungen könnten länger anhalten, was den Inflationsdruck noch erhöhen würde. Sie könnten aber auch die Wiedereröffnung der Wirtschaft verzögern, was zu Lasten von Wachstum und Beschäftigung gehen und den Ausblick für die Geldpolitik der Fed beeinflussen würde.
Andere große Zentralbanken, insbesondere in Großbritannien und Kanada, setzen schon auf einen restriktiveren Kurs. Damit wächst der Druck auf die Fed, den Tapering-Prozess zu beschleunigen und so den Weg für eine frühzeitige Zinserhöhung frei zu machen.
EZB-Tauben, BoE-Falken
Die EZB hält bisher an ihrer gemäßigten Haltung fest. EZB-Präsidentin Lagarde erschien überzeugt, dass die Inflation vorübergehend ist und hat die Erwartung, dass die EZB 2022 die Zinsen erhöhen könnte, nachdrücklich zurückgewiesen.
Die Bank of England hat eine ganz andere Sichtweise. Für BoE-Gouverneur Andrew Bailey ist der Inflationsanstieg zurzeit das größte Risiko. Der einzige Grund, warum die BoE mit einer Zinserhöhung abwartet, ist, dass sie die Folgen des Endes der Kurzarbeitsreglung berücksichtigt.
Falls sich der derzeitige Preisdruck als vorübergehend erweisen und die Inflation schneller und deutlicher als von der BoE erwartet zurückgehen sollte, müssen die Zinssätze letztendlich vielleicht nicht stark steigen.
Wie werden die Zentralbanken der Schwellenländer reagieren?
Manche Schwellenländer-Zentralbanken haben die Straffung ihrer Geldpolitik bereits eingeleitet, aber eher aufgrund von Inflationssorgen als dem Risiko von Kapitalabflüssen. Weil die wirtschaftlichen Fundamentaldaten Asiens besser sind, dürften die Zentralbanken Lateinamerikas und Osteuropas restriktiver agieren als ihre Pendants in Asien.
Außerdem ist der zyklische Hintergrund in Asien schwach, wofür vor allem die niedrigen Impfraten und die Wachstumsverlangsamung in China verantwortlich sind. Daher haben asiatische Zentralbanken keine Eile, im Fall einer Straffung in den Industrieländern nachzuziehen.
Sofern die Inflation keine wesentlichen Auswirkungen auf die Realrenditen hätte, würde Asien selbst bei moderaten Anhebungen der US-Leitzinsen immer noch über einen komfortablen Realzinspuffer verfügen. Dies dürfte dazu beitragen, dass die asiatischen Zentralbanken weniger unter Zugzwang stehen. Ein allgemeiner Verkaufsdruck wäre für Anleger mit einem erheblichen Renditeanstieg in Asien verbunden.
Wie groß ist das China-Risiko?
Anleger befürchten einen Crash des Immobilienmarktes, der eine systemische Krise und Schockwellen im globalen System auslösen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so weit kommt, ist unseres Erachtens gering.
Ein Wachstumsschock in China könnte das weltweite Wachstum und den Inflationsdruck dämpfen. Asien bereitet dies vor allem deswegen Sorgen, weil der Kontinent sensibler auf Veränderungen des chinesischen BIP-Wachstums reagiert. Wenn sich das Wachstum in China deutlich verlangsamen sollte, wird selbst starkes Wachstum in Europa und den USA möglicherweise nicht ausreichen, um den Rückgang in Asien wettzumachen.
Diagramm 1: Große Differenzen beim Realzins* zwischen Asien (ohne Japan) und den USA (in Prozent)
Datenstand: 21. November 2021, Quellen: CEIC, HSBC, BNP Paribas Asset Management
* deflationiert mit den Kern-Verbraucherpreisen (VPI)
Märkte – Vorbereitung auf die Normalisierung
In den kommenden können die Finanzmärkte sich auf eine Normalisierung der Geldpolitik der Zentralbanken einstellen. Wenn die Fundamentaldaten günstig sind, wird diese Normalisierung aber nicht unbedingt den Märkten schaden. Solange die Inflation vorübergehend und die Realrenditen niedrig sind, ist das makroökonomische Umfeld für Aktien immer noch günstiger als für Anleihen.
Gleichzeitig werden Aktien aus Schwellenländern (einschließlich China) attraktiv. Nachdem Schwellenländeraktien die meiste Zeit des Jahres hinter dem MSCI World Index zurückgeblieben waren, ist ihr in 12 Monaten erwartetes KGV gegenüber globalen Aktien auf den tiefsten Stand in zehn Jahren gefallen. Das China-Risiko scheint sich stabilisiert zu haben.
Was festverzinsliche Anlagen anbelangt, preisen die Märkte weitere Zinsänderungen eher am kurzen als am langen Ende ein. Dieser Prozess bewirkte bereits eine Umkehrung der Treasury-Renditekurve. Das Vertrauen der Märkte in die großen Zentralbanken ist aber vorerst ungebrochen, wie die moderaten langfristigen Inflationserwartungen zeigen.
Asset-Allokation – Short-Position in 10-jährigen US-Treasurys
Bei Aktien sind wir immer noch long investiert: Da wir von einer Erholung der Aktienmärkte der Schwellenländer ausgehen, sind wir eine Long-Position in Aktien der globalen Schwellenländer eingegangen und haben unsere Long-Position in US-Aktien reduziert.
Innerhalb unserer Industrieländer-Aktienpositionen haben wir europäische Small Caps zugunsten von Aktien nordamerikanischer Small Caps und europäischer Large Caps verringert. Europäische Large Caps dürften wegen der verzögerten Erholung in der Region mehr „Standbeine“ haben. Wir haben unsere Long-Position in japanischen Aktien gehalten.
Obwohl wir in Bezug auf Anleihen noch nicht pessimistisch sind, erscheinen US-Treasurys unsicher. Daher haben wir unsere taktische Short-Position in 10-jährigen Treasurys nachgekauft. Netto-Long-Positionen im US-Dollar sind aus unserer Sicht sehr beliebt. Wir erwarten Anstiege, vermeiden aber Carry-Short-Positionen.
